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Lichtscheibenmikroskop enthüllt Prozesse in der Entwicklung des Reismehlkäfers

Foto: ARKM Archiv
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Einem Team von Forscherinnen und Forschern der Universität zu Köln ist es zum ersten Mal gelungen, die Entwicklung des Embryonalsacks (Fruchtblase) bei Insekten zu beobachten.
Forschungsobjekt dabei war der Rotbraune Reismehlkäfer (Tribolium castaneum), ein weltweit verbreiteter Schädling von Nahrungsmitteln. Das Deckgewebe (Epithel) des Sackes beim Reiskäfer besteht aus zwei aneinanderliegenden Gewebsschichten, dem inneren Amnion und der äußeren Serosa. Wie die Biologen jetzt in eLife berichten, bleiben die Gewebsschichten klar getrennt aber berühren und lösen sich während der Entwicklung des Tieres mehrfach. Die Interaktion der beiden Gewebsschichten spielt eine besondere Rolle beim Aufreißen des Sackes, welches besonders wichtig für die Entwicklung des Insekts ist. Wie außerdem entdeckt wurde, weisen die Epithelzellen des Amnions über dem Kopf des Insekts eine spezielle Struktur auf. Dort beginnt der Sack aufzureißen.

Möglich wurden die Beobachtungen durch die Verwendung eines hochentwickelten Lichtscheibenmikroskops, das hiermit zum ersten Mal an der Universität zu Köln angewendet wurde, nachdem der „proof of principle“ bereits in einer vorherigen Arbeit erbracht worden war. Die hohe Auflösung und große Geschwindigkeit des Lichtscheibenmikroskops erlaubte es den Forscherinnen und Forschern das Aufbrechen der Gewebehülle zu beobachten. “Der Riss im extra-embryonischen Gewebe öffnet sich dann schnell um den Embryo herauszulassen”, sagt Dr. Kristen Panfilio, die Leiterin der Emmy-Noether-Nachwuchsforschergruppe, die die Forschungen durchführte.

Während der frühen Entwicklungsphasen aller Embryos bildet sich ein mit Flüssigkeit gefüllter Sack, der den Embryo enthüllt. Bei Menschen reißt dieser Sack, die Fruchtblase, erst während der Geburt. Der Sack, der Insekten umhüllt, tut dies schon lange bevor das Tier aus dem Ei schlüpft. Dieses frühe Reißen des Sackes ist wichtig für die Entwicklung des Insekts: Bleibt der Sack zu lange intakt, können schwerwiegende Entwicklungsstörungen die Folge sein.

Der Embryonalsack, der ein Insekt umhüllt, besteht aus zwei Schichten: einer inneren, dem Amnion, und einer festen äußeren, der Serosa. Bisher war es schwierig zu untersuchen, was in den Gewebsschichten passiert, während das Insekt sich entwickelt, da Amnion und Serosa im Mikroskop schwer voneinander zu unterscheiden sind. Die Forscher kamen dem Rätsel nun mit Hilfe des Rotbraunen Reismehlkäfers auf die Spur: In genetisch veränderten Tieren wurden die Zellen des Amnions so programmiert, dass sie ein fluoreszierendes Protein produzieren, das man unter dem Mikroskop sehen kann. Dadurch waren die Forscher in der Lage, das Amnion in einem lebenden Tier während der Embryonalentwicklung zu beobachten. „Wir konnten feststellen, dass Serosa und Amnion sich während der Entwicklung mehrfach aneinander anlegen und wieder trennen“, erklärt Kristen Panfilio. „Außerdem bleiben Amnion und Serosa als klar unterscheidbare Gewebeschichten erhalten, während sie sich vom Embryo trennen.“

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten außerdem beobachten, dass die Zellen des Amnions über dem Kopf des Käferembryos eine besondere Form haben, bevor der Sack aufreißt. „Das Amnion reißt dort zuerst ein und die Serosa folgt wenige Minuten später. Wenn die beiden Gewebsschichten aufgerissen sind, rollen sie sich zurück wie der Bezug eines Kopfkissens, wenn man es herunterzieht“, so Dr. Maarten Hilbrant aus der Forschergruppe. Bei normalen Käfern geht dieser Prozess sehr schnell vonstatten und presst den Unterleib des Embryos zusammen. Bei Käfern, die genetisch verändert wurden und die Serosa nicht mehr haben, dauert er länger, weil das Amnion alleine nicht stark genug ist.

„Die zwei epithelialen Schichten müssen zusammenarbeiten. Die Experimente zeigen, dass das Amnion für den Beginn des Risses im Embryonalsack verantwortlich ist und die Serosa das Aufrollen des Sackes steuert“, schlussfolgert Panfilio. Die Wissenschaftler wollen nun in weiteren Experimenten herausfinden, welche Rolle die beiden Gewebsschichten in anderen Insekten spielen.
Mit den neuen Erkenntnissen konnten die Forscherinnen und Forscher ein 11 Jahre altes Modell der Struktur der Extra-Embryonalgewebe widerlegen und das Lichtscheibenmikroskop zum ersten Mal bei Forschungen an der Universität zu Köln einsetzen. Gleichzeitig präsentieren die Biologen mit dem Rotbraunen Reismehlkäfer ein neues Modellsystem zur Erforschung der Dynamik der Entwicklung von tierischen Geweben. Die Forschungen wurden durch das Emmy Noether-Programm von der DFG finanziert mit zusätzlicher Geräteausstattungunterstützung vom SFB 572 (“Commitment of Cell Arrays and Cell Type Specification”) und dem SFB 680 („Molecular Basis of Evolutionary Innovations“).

Quelle: Universität Köln

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