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Universitätsmedizin Mainz verbessert orthopädische Diagnostik

Mainz – Warum leidet ein Patient unter Rückenschmerzen, obwohl sein Körper keine strukturellen Mängel wie beispielsweise einen Bandscheibenvorfall aufweist? Funktioniert die Wirbelsäule einwandfrei? Wo lassen sich beim Betroffenen Auffälligkeiten im Bewegungsmuster erkennen?

Diesen und anderen Fragen gehen das Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie und das Institut für Physikalische Therapie, Prävention und Rehabilitation der Universitätsmedizin Mainz ab sofort in ihrem neuen „MotionLab“ nach. Mittels eines hochmodernen Verfahrens zur dynamischen Bewegungsanalyse untersuchen die Experten jedes einzelne Segment der Wirbelsäule dreidimensional während des Gehens auf einem Laufband. Ziel ist es, funktionelle Beschwerden besser diagnostizieren zu können. Interessierte, die das MotionLab näher kennen lernen wollen, haben am Tag der offenen Tür der Universitätsmedizin am Sonntag, 3. Juli 2016 von 11 bis 18 Uhr Gelegenheit dazu.

Foto: Markus Schmidt, Universitätsmedizin Mainz
Foto: Markus Schmidt, Universitätsmedizin Mainz

Erkrankungen des Bewegungssystems und insbesondere Rückenschmerzen zählen in Deutschland zu den größten Gesundheitsproblemen. Sie sind sowohl in epidemiologischer, medizinischer als auch in gesundheitsökonomischer Hinsicht von herausragender Bedeutung. So sind Rückenleiden ein besonders häufiger Grund für die Inanspruchnahme des medizinischen Versorgungssystems, Arbeitsunfähigkeit und Renten wegen Erwerbsminderung. Experten schätzen, dass es in Deutschland allein 31 Millionen Behandlungsfälle wegen Rückenschmerzen gibt. Die daraus resultierenden Kosten für das Gesundheitssystem entsprechen in etwa dem neunfachen der aktuellen Kosten für den Berliner Flughafen (BER). Laut TK-Gesundheitsreport 2014 sind Rückenbeschwerden nach wie vor die Ursache für fast jeden zehnten Krankschreibungstag in Deutschland.

Experten unterscheiden zwischen spezifischen und unspezifischen Rückenschmerzen. Über 75 Prozent aller Rückenbeschwerden sind „nicht-spezifisch“, das heißt sie haben keine objektivierbare strukturelle Ursache. Stattdessen stehen die Beschwerden mit einer Fehlfunktion in Zusammenhang. Bislang fehlten allerdings die technischen Möglichkeiten, um Funktionsstörungen messbar zu machen. Das Problem: Liegt keine eindeutige Diagnose vor, kann auch keine eindeutige Ursache behandelt werden.

Die Lösung: Eine objektivierende Untersuchungsmöglichkeit der Funktion des Bewegungssystems, insbesondere der Wirbelsäule. Über diese verfügt die Universitätsmedizin Mainz nun ab sofort mit ihrem neuen „MotionLab“: ein high-end Labor zur Bewegungsanalyse. Dabei handelt es sich um eine integrierte Systemlösung zur ganzheitlichen Betrachtung des Menschen in der Bewegung.

Ohne den Einsatz von radioaktiver Strahlung vermisst das System synchron die segmentale Wirbelsäulenbewegung und die Bewegungen des Beckens, der Beinachsen sowie der Füße und den Fußdruck eines Menschen, während dieser auf einem Laufband geht. Dadurch können die Experten die Wirbelsäule und ihre Funktionsfähigkeit rekonstruieren und die Bewegung jedes einzelnen Wirbelsäulen-Segmentes objektiv und dreidimensional analysieren. Die so im Labor gewonnenen Erkenntnisse dienen sowohl der Grundlagenforschung als auch der klinischen Diagnostik. Das Ziel besteht darin, veränderte Bewegungsabläufe der Wirbelsäule während der Gehbewegung zu erkennen und diese in Relation zur jeweiligen Gangphase des Patienten analysieren und beurteilen zu können.

Die dynamische Bewegungsvermessung im MotionLab basiert auf einem lichtoptischen Verfahren und ist frei von radiologischer Strahlung. Ein Lichtprojektor projiziert auf den Rücken des Patienten ein aus mehr als 600.000 Messpunkten bestehendes Muster aus waagerecht verlaufenden Linien. Während des Gehens erfasst eine Videokamera dieses Linienmuster mit einer Aufnahmefrequenz von 60 Bildern pro Sekunde. Eine spezielle Analyse-Software, die mit der GPS-Technik bei Navigationsgeräten vergleichbar ist, erstellt daraus ein virtuelles, dreidimensionales Abbild der Rückenoberfläche.

Durch die neue Analysemöglichkeit besteht zukünftig die Chance, Funktionsstörungen des Bewegungssystems messbar zu machen. Damit soll zukünftig die Diagnose gesichert, eine spezifische Therapie eingeleitet und der Therapieerfolg kontrolliert werden.

Quelle: br

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