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Dortmunder Kinderstuben: Ein Pilot, der wirkt

Wie hoch sind die Qualitätsstandards in den „Dortmunder Kinderstuben“? Wie erfolgreich ist die Sprachförderung der Kinder? Gelingt eine frühe Integration in erste Bildungsprozesse? Antworten auf diese Fragen gibt ein Forschungsprojekt der Fachhochschule Dortmund. Zwei Jahre lang hat die „Arbeitsstelle für Regionale Sozialarbeitsforschung (Areso) die „Dortmunder Kinderstuben“ wissenschaftlich begleitet und die in der Praxis entstandenen Qualitätsstandards evaluiert.

Die Dortmunder Kinderstuben sind 2013 als ergänzendes Angebot zu den institutionellen Kitas in der Dortmunder Nordstadt aufgebaut worden. In Ladenlokalen oder Wohnungen mitten in der Nordstadt werden Kinder zwischen einem und vier Jahren von Tagesmüttern betreut, sie erhalten sprachliche Förderung und Bewegungsangebote. Während vormittags ausschließlich die Kinder im Mittelpunkt stehen, sind nachmittags auch die Eltern mit im Boot: Sie werden in Erziehungsfragen beraten und bekommen praktische Hilfestellung, etwa bei der Beantragung von Wohngeld oder von Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Die Betreuung in den Dortmunder Kinderstuben ist auf ein Jahr beschränkt – danach besteht eine Platzgarantie in einer Kindertageseinrichtung. Träger sind AWO und Fabido; die Kinderstuben sind darüber hinaus auch in das Netzwerk INFamilie und in das Landesprojekt „Kein Kind zurücklassen“ eingebunden.

„Ziel der Kinderstuben ist vor allem, einer strukturellen Benachteiligung von Kindern aus sozial benachteiligten Verhältnissen bzw. Wohnvierteln entgegen zu wirken“, sagt Vertretungsprofessorin Dr. Stefanie Kuhlenkamp, die das Evaluationsprojekt leitet. Im Quartier Brunnenstrasse zum Beispiel würden jährlich 50 Kinder geboren, weit mehr als in anderen Quartieren Dortmunds. „In den Kinderstuben haben wir zu 100 Prozent Kinder mit Migrationshintergrund. Hier erreichen wir die Familien, die sonst nicht von frühen Bildungsangeboten erreicht werden: Das Angebot ist niederschwellig, sinnvoll organisiert und schließt eine Lücke. Das Schöne ist: Wir erhalten einen Zugang zu den Eltern über die Kinder.“

In dem Evaluationsprojekt wird stetig die pädagogische Struktur- und Prozessqualität in den Kinderstuben erhoben. „Zum einen, um zu erfahren, wie gut das pädagogische Konzept und die aufgebauten Strukturen funktionieren und wo man sie weiterentwickeln könnte. Die Evaluation ist zum anderen auch ein Muss, wenn es um eine potenzielle Überführung der Kinderstuben in die Regelfinanzierung geht“, so die Professorin des Fachbereichs Angewandte Sozialwissenschaften.

Untersucht wurden unter anderem die Qualität der Strukturen und Konzeptionen, die bisherigen Arbeitsprozesse, die Zufriedenheit von Eltern und Tagesmüttern und ob die Information und Vermittlung der Familien in weitere Netzwerkangebote auf fruchtbaren Boden fallen. Darüber hinaus wurden Handlungsbedarfe erarbeitet, Perspektiven für zukünftige Angebote aufgezeigt und Qualitätsstandards für die sozialpädagogische Begleitung der Kinderstuben entwickelt. Die Daten wurden in Interviews und bei Alltagsbeobachtungen in den Kinderstuben erhoben, etwa im Rahmen von videogestützten Interaktionsanalysen zwischen Tagesmüttern und Kindern. In den Forschungsprozess waren auch Studierende der Fachhochschule eingebunden, die hier ihr Praxissemester als Forschungssemester absolvierten. Finanziert wurde das Projekt von der Robert-Bosch-Stiftung.

Mit den Ergebnissen ist Stefanie Kuhlenkamp mehr als zufrieden: „Die Kinderstuben sind ein Pilot, der wirkt. Die Ergebnisse zeigen sehr deutlich, dass diese besonders qualifizierte Form der Großtagespflegestelle für beide Seiten – Kinder und Eltern – eine sehr geeignete Unterstützungsmaßnahme darstellt“. Die pädagogische Qualität sei hoch, die Interaktion der Tagesmütter mit den Kindern sehr förderlich und sogar die genutzten Ladenlokale wirkten positiv auf die Umgebung, so Kuhlenkamp. Zufrieden seien auch die Tagesmütter, die allerdings noch auf eine Verbesserung ihres Status als Selbständige hoffen.

Aus der Evaluation ergab sich die Empfehlung, das Alter der Kinder auf ein bis drei Jahre zu verringern, gezielte Fortbildungsangebote zur Weiterentwicklung der bereits hohen Prozessqualität zu machen und sich auf politischer Ebene um eine Veränderung des rechtlichen Status der Tagesmütter zu bemühen. Das Interesse an den Ergebnissen der Evaluation geht übrigens weit über die Dortmunder Stadtgrenzen hinaus. So wird innerhalb der Bildungsinitiative RuhrFutur das Konzept intensiv diskutiert und bereits an einem Transfer des Modells Dortmunder Kinderstube in weitere Städte des Ruhrgebietes gearbeitet.

Quelle: Fachhochschule Dortmund

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