Spaß – ein Fremdwort in der IT?
Mit der richtigen Perspektive zu mehr Freude im Job
Termindruck, Kritik durch Vorgesetzte, unzufriedene Kunden, fehlende Aufstiegschancen, Disharmonie im Kollegenkreis und die mangelnde Anerkennung der eigenen Leistung: Im Arbeitsalltag gibt es viele Situationen und Herausforderungen, die einem die Laune gründlich verderben können. Dies gilt insbesondere für die IT-Branche, die sich naturgemäß im permanenten Umbruch befindet. Dabei ändert sich eines allerdings nie: das Stresslevel vieler Tech-Berufe, das meist beständig hoch ist. Dass einem unter diesen Umständen der Spaß am Job vergehen kann, kann niemanden wirklich verwundern.
Wer eine Karriere im Bereich IT anstrebt, hat sich in den meisten Fällen ganz bewusst für diese Laufbahn entschieden. Schließlich setzt diese Arbeit ein hohes Maß technischen Verständnisses und eine große Leidenschaft für den Umgang mit dem Computer voraus, die die meisten schon in ihrer Jugend entwickelt haben. Während die Ausbildung dann tatsächlich oft noch Spaß macht, tritt im stressigen Berufsalltag nicht selten Ernüchterung ein. Hier nämlich treffen hohe Anforderungen auf einen ausgeprägten Fachkräftemangel, was in Summe zu unterbesetzten IT-Abteilungen und damit zu einer unverhältnismäßig großen Arbeitsbelastung eines jeden einzelnen führt. Allein Ende 2019 gab es hierzulande 124.000 offene Stellen für Tech- und Digital-Experten. Die Zahl der unbesetzten IT-Stellen hat sich damit im Vergleich der vorherigen zwei Jahre mehr als verdoppelt, wie eine Auswertung des Branchenverbands Bitkom* zeigt. Wer zusätzlich zum Personalmangel noch überhöhte Ansprüche an die eigenen Leistungen stellt, weil er einen guten Job machen will, ist schnell überfordert und frustriert. Mit Spaß ist es dann nicht mehr weit her.
Spaß bedeutet nicht nur, Erfüllung in dem zu finden, was man mal mit Leidenschaft gelernt hat, sondern auch das nachhaltige Bewusstsein, etwas beitragen und bewegen zu können, einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen, Neues zu lernen und sich stetig weiterzuentwickeln – sowohl fachlich als auch persönlich. Für viele ist es außerdem wichtig, dass sie viel von dem tun können, bei dem ihre persönlichen Stärken und Talente zur Geltung kommen. Bleibt all dies auf der Strecke, entscheiden sich viele ITler für einen Jobwechsel – in der Hoffnung, dass auf dem nächsten Posten alles besser wird. Laut dem „Randstad Arbeitsbarometer“ aus dem Jahr 2019 hat die IT-Branche andere Wirtschaftszweige in Sachen Jobwechsel längst überholt: 47 Prozent der Befragten aus dem Bereich IT gaben in der Studie an, in den zurückliegenden sechs Monaten den Job gewechselt zu haben** – mehr als in jedem anderen Berufsfeld. Was viele dabei nicht bedenken: Im neuen Job lauern oft die gleichen Probleme. Spätestens an dieser Stelle sollte klar sein, dass Freude im Berufsalltag mehr mit der inneren Einstellung zu tun hat als mit den äußeren Umständen.
Ein Gefühl der Unzufriedenheit lässt sich allein schon dadurch bekämpfen, dass man sich daran erinnert, warum man sich einmal für diesen Job entschieden haben. Auch lohnt es sich, sich von Zeit zu Zeit auf den persönlichen Antrieb zu fokussieren – schließlich gab es mal einen Grund dafür, dass man sich genau diesen Job ausgesucht hat. Andere Angebote hat es in der Regel reichlich gegeben. Auch wenn einem einige Aufgaben unbedeutend vorkommen mögen, wird mit ihnen doch immer auch ein größeres Ziel verfolgt. Je besser die Unternehmensziele zu den eigenen Zielen passen, desto besser. Um die Ziele dauerhaft sinnvoll zu verfolgen, sollte man regelmäßig das Gespräch mit Kunden und Kollegen suchen. Dabei geht es nicht unbedingt darum, ihnen das neueste Produkt oder eine innovative Idee zu verkaufen, sondern eher darum, mehr über ihre Bedürfnisse und Anforderungen zu erfahren – und darüber, was ihrer Meinung nach gut läuft und nicht schlecht. Wer neugierig bleibt im persönlichen Austausch, erweitert automatisch seinen Horizont. Im Berufsalltag geraten die Vorzüge manchmal in Vergessenheit, man ist einfach zu sehr damit beschäftigt, sich über diejenigen Dinge aufzuregen, die nicht rund laufen, als sich auf diejenigen zu konzentrieren, die Motivation und Freude liefern. Freude ist das Kraft spendende und motivierende Gefühl, das am Ende des Tages bleibt, wenn man weitgehend und dauerhaft das macht, was einem im Beruf persönlich wichtig ist. Spaß ist damit vor allem eine Frage der Perspektive: Viele Gegebenheiten haben zwei Seiten, sodass man auch Dingen oder Ereignissen, die anfangs durchweg negativ erschienen, mit etwas Nachdenken und Ruhe noch etwas abgewinnen kann. Wer allerdings merkt, dass er beständig unzufrieden ist mit dem, was er macht, sollte die richtigen Konsequenzen ziehen: „Love it, change it or leave it“, lautet dann der Rat.
Über den Autor
Seit rund einem Vierteljahrhundert ist Mathias Hess in der digitalen Welt unterwegs – in nationalen mittelständischen Unternehmen und in internationalen Großkonzernen, als CIO und IT-Leiter sowie in verantwortlichen Management-Positionen bei IT-Service-Providern. Er kennt alles, was das moderne IT-Umfeld beim Thema Digitalisierung als Chancen, aber auch an Risiken zu bieten hat. Er verfügt über umfangreiche Erfahrungen im Projektmanagement, sowohl mit der Einführung neuer Anwendungen und Prozesse (ITIL) als auch in der Umsetzung von Outsourcing-Projekten und komplexen Offshore-Leistungen. Weitere Informationen unter www.mathias-hess.com.
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*https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Erstmals-mehr-als-100000-unbesetzte-Stellen-fuer-IT-Experten
**https://www.randstad.de/ueber-randstad/presse/unternehmensfuehrung/it-spezialisten-wechseln-haeufiger-den-job/