
Wenn ein Unternehmen übergeben werden soll, liegt eine Lösung manchmal näher als viele denken: im eigenen Betrieb. Der Management-Buy-out (MBO) – also der Verkauf an das eigene Führungsteam oder einzelne Mitarbeiter in leitender Position – gilt als elegante Variante der Nachfolge. Doch so einfach das Modell klingt, so komplex ist seine Umsetzung. Denn die Rollen von Käufer und Verkäufer sind vor der Übergabe meist klar verteilt: der eine ist gesamtverantwortlicher Chef, der andere Angestellter mit fester Funktion und Aufgabe. Und genau das macht den MBO zu einer besonders sensiblen Form der Unternehmensnachfolge – wirtschaftlich, rechtlich und emotional.
Karrierehöhepunkt mit Verantwortung
Für viele Führungskräfte ist ein MBO der logische nächste Schritt in ihrer beruflichen Entwicklung – der Übergang vom Angestellten zum Unternehmer. Für denjenigen, der in seinem bisherigen Betrieb bleiben möchte, ist es zumeist auch der einzig noch verbleibende Karriereschritt. Denn insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen sind die Hierarchieebenen begrenzt. Vielen bleibt dann nur noch die Geschäftsführung oder eben die Inhaberschaft. Doch dieser Schritt will vorbereitet sein. Ein Management-Buy-out ist kein simpler Karrieresprung, sondern ein Rollenwechsel von enormer Tragweite mit finanziellen Risiken, unternehmerischer Verantwortung und einem völlig neuen Selbstverständnis. Wer ihn gehen will, braucht mehr als fachliche Qualifikation – er braucht unternehmerisches Denken, strategisches Gespür und die Bereitschaft, sich auch persönlich weiterzuentwickeln, und zwar weit über das fachliche Know-how hinaus.
Nachfolgeregelungen sind Lebensentscheidungen
Daher sollte die Vorbereitung auf einen möglichen MBO schon Jahre vor der eigentlichen Übergabe beginnen – und zwar bewusst und geplant. Unternehmer, die ein solches Modell ins Auge fassen, tun gut daran, vielversprechende Führungskräfte gezielt zu fördern: durch Beteiligung an strategischen Entscheidungen, durch gezielte Projektverantwortung, durch Weiterbildungen in den Bereichen Finanzen, Recht und Personalführung – und nicht zuletzt durch einen offenen Dialog über die eigene Perspektive im Unternehmen.
Der potenzielle Nachfolger seinerseits muss in seine Persönlichkeitsentwicklung investieren. Themen wie Führung, Selbstmanagement, emotionale Resilienz sind dabei ebenso notwendig wie das Einbeziehen des Familien- und Bekanntenkreises. Ein Chef ist jemand anders als ein Angestellter – auch in seinem privaten Umfeld. Risiken und Verantwortung sind anders gewichtet. Und auch die finanziellen Möglichkeiten wollen wohl geprüft und geplant sein. Ein MBO ist eine Lebensentscheidung – für beide Seiten.
Perspektiven aufzeigen, Führung übernehmen
Gerade in mittelständischen Strukturen wird der Karrierepfad oft als statisch empfunden: Abteilungsleiter, vielleicht Prokurist – aber Unternehmer? Diese Option ist in vielen Köpfen nicht präsent. Wer jedoch frühzeitig signalisiert, dass ein Buy-out möglich ist, weckt unternehmerische Ambitionen und bindet wertvolle Mitarbeiter langfristig ans Unternehmen.
Für den potenziellen Nachfolger eröffnet sich so eine Perspektive, die weit über eine klassische Führungsrolle hinausgeht: eigene Entscheidungen, unternehmerische Freiheit, wirtschaftliche Teilhabe.
Der Unternehmer wiederum profitiert von einem Nachfolger, der das Unternehmen kennt, akzeptiert ist und die Kultur mitträgt – gleichzeitig aber durch die Perspektive des künftigen Eigentümers ganz neue Impulse setzt. So gewinnen alle. Der Übergang kann gestaltet werden – innerhalb der bestehenden Kultur, innerhalb des bestehenden Kollegenkreises, in Absprache mit den Lieferanten, Kunden und Stakeholdern. Brüche können besser vermieden werden als bei einem externen Verkauf.
Vertrauen braucht Struktur
Der Weg zum MBO führt durch eine Übergangsphase, in der die Rollen verschwimmen. Der Noch-Angestellte soll mitdenken wie ein Unternehmer – und der Noch-Inhaber soll ihn machen lassen. Damit das gelingt, braucht es klare Strukturen: definierte Verantwortungsbereiche, Projektbeteiligung auf strategischer Ebene, eventuell eine schrittweise Beteiligung am Unternehmen. Gerade in dieser Phase kann ein externer Sparringspartner – etwa ein Berater oder ein erfahrener Coach – helfen, Spannungen abzufedern und die Rollenverhältnisse professionell zu gestalten. Bestehende Netzwerke, die Mitarbeit des Nachfolgers in Gremien und die Beziehungen zu den Verantwortlichen am Standort, etwa in der Kommune oder bei Kammern und Verbänden, können sukzessive genutzt und übertragen werden, um dem Nachfolger immer mehr Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten zu ermöglichen.
Auch die Einbindung des restlichen Teams ist nicht zu unterschätzen. Wenn der langjährige Kollege plötzlich zum künftigen Chef wird, entstehen Dynamiken, die Aufmerksamkeit erfordern. Klare Kommunikation und eine saubere Übergangsarchitektur helfen, Unsicherheiten zu vermeiden und die Akzeptanz zu stärken. Schließlich soll neben dem Unternehmen ja auch die Belegschaft erhalten bleiben, damit kein Know-how verloren geht.
Die wirtschaftlichen Grundlagen
Neben der zwischenmenschlichen Ebene müssen auch die harten Fakten stimmen. Der Kaufpreis muss realistisch sein – für beide Seiten. Der Nachfolger darf sich nicht übernehmen, der Unternehmer muss den Wert seines Lebenswerks angemessen honoriert sehen. Verkäuferdarlehen, Earn-out-Modelle oder stille Beteiligungen können helfen, die finanzielle Hürde zu nehmen. Wichtig ist, dass sich beide Parteien ehrlich mit den Zahlen auseinandersetzen und auch die steuerlichen, rechtlichen und finanziellen Risiken professionell und transparent prüfen – miteinander.
Der richtige Moment für die Nachfolge
Ein MBO funktioniert nur, wenn der Unternehmer wirklich loslassen will – und wenn der Nachfolger bereit ist, die unternehmerische Verantwortung tatsächlich zu tragen. Wer zu lange zögert, riskiert, dass der MBO-Kandidat abspringt oder doch andere, eigene Wege geht. Ist die Begehrlichkeit erst einmal geweckt, ist ein Zurück meist undurchführbar. Umgekehrt darf der künftige Käufer sich nicht zu früh drängen lassen. Unternehmersein ist kein Titel – es ist eine Haltung. Und die muss wachsen.
Unternehmensnachfolge: mehr als ein Führungswechsel
Ein Management-Buy-out ist mehr als ein Eigentümerwechsel. Er ist eine tiefgreifende Transformation für beide Seiten. Für den Unternehmer bedeutet er den kontrollierten Rückzug, für den Nachfolger den Aufstieg in eine neue berufliche Liga. Doch damit das gelingt, braucht es mehr als nur die Bereitschaft zum Verkauf: Es braucht Förderung, Vertrauen, klare Strukturen – und vor allem den Mut, Verantwortung wirklich abzugeben oder zu übernehmen.
Über den Autor
Thorsten Luber ist MiNa-Kolumnist, Diplom-Kaufmann sowie Gründer und Inhaber von Luber Consulting, einer spezialisierten Strategieberatung für den Mittelstand in der DACH-Region. Die Beratungsgebiete von Luber Consulting sind Existenzgründung, Wachstum, Strategie sowie Unternehmensnachfolge und Unternehmensverkauf. https://luber-consulting.com